LITERATUR: Querbeet durch alle Gattungen
Märkische Autoren im Sammelband
POTSDAM - Es klingt wie ein Versprechen, wie eine literarische Verheißung: neue Texte aus Brandenburg – etwas Frisches liegt in diesem Untertitel, eine Hoffnung, hier äußere sich ein Landstrich, dessen Schriftsteller selten ins Rampenlicht rücken. 24 Brandenburger Autoren bündeln ihre Stücke in dieser Textsammlung, die Herausgeber vom Verband deutscher Schriftsteller in der Gewerkschaft Verdi, Landesverband Brandenburg, sprechen hochtrabend von „Anthologie“. Der Titel „Wir wahren Worte“ soll aufs Kürzel „www“ anspielen, die Vorsilbe der Internetadressen. Doch schon beim Namen hakt es, er will nicht klingen, etwas Ungelenkes liegt darin. Leider muss man das als Omen nehmen.
Viele Texte dieser Sammlung wirken angestrengt, sie bleiben unscheinbar, oder sie arbeiten an den Pointen mit grober Feder. Das stellt man ohne Häme fest, denn wer wünschte sich nicht einen starken Auftritt märkischer Autoren, die vom Schreiben zwar nur selten leben können, aber etwas zu erzählen haben, das über den Moment hinaus im Kopf des Lesers bleibt?
Freilich ist schon die Gestaltung des Titelbildes unglücklich, denn dort prangt in bunter Farbe gleich dreifach der Schriftzugwww.wir.wahren.worte.de, diese Adresse aber gibt es nicht im Internet. Die Homepage des Bandes ist zu finden unter www-wir-wahren-worte-de.blogspot.com.
Immerhin zur Mitte des Buches gibt es einen Befreiungsschlag. Er stammt von Dietmar Schultke. Seine Story, drei Seiten schmal, nennt er „Wie ein Getreidekorn auf dem Acker“, er schreibt von Langerweile, gerade zu jenem Zeitpunkt, als sich die reale Langeweile über dieses Buch legt. Schultke, 1967 in Beeskow geboren, erzählt von Daniel und dessen Motorroller: „Er liebte das Fahren ohne Helm, trotz Polizei und deutschem Recht. Immer wieder probierte er das Verbotene, besonders am Sonntag.“ Wenn er nicht auf seinem Roller fährt, sondern ruht „wie ein Getreidekorn auf dem Acker“, irgendwo „in einem Dorf in der Mark Brandenburg“, wird er „halb irre“ von all dem Müßiggang. Immer wieder braucht Daniel diesen Kitzel, Fahren ohne Helm, Flüchten vor der Polizei. Das hat doppelten Boden und atmet, selten genug in diesem Buch, tatsächlich Witz.
Es gibt im Brandenburger Sammelband viele Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, an seine unmittelbaren Folgen, an die Suche nach Vater und Mutter, was daran liegen mag, dass viele Autoren just zu Kriegsende oder kurz darauf geboren wurden. Meist sind das integere Texte, sie bieten einen greifbaren, biografischen Ton, ohne den dargereichten Stoff literarisch zu veredeln, mithin einen Stil zu finden, der eine originelle Form für einen individuellen Inhalt fände. Hier spürt man die Beliebigkeit der Genres: Im Buch mischen sich recht wahllos Kurzprosa, Essay, Reportage und Lyrik.
Unangenehm wird die Lektüre, wenn sie selbstgerecht klingt. Klaus Körner, geboren 1946, er wohnt in Petershagen/Eggersdorf, schreibt eine Abrechnung über seine Zeit bei den Grünen, er arbeitete im Bundestag als Referent für Behindertenpolitik. Gerade dieser Tage, da die Grünen so viel Aufwind spüren, wäre es interessant, eine kritische Stimme zu hören. Körner aber spottet, er wird polemisch, beinahe demagogisch. Als Anstoß zur Diskussion taugt sein Pamphlet nicht.
Schade wiederum ist es um einen Text von Thomas Bruhn, geboren 1952, er wohnt in Cottbus. Bruhn trifft sich mit dem Texter der Band Silly und verarbeitet das Treffen zur Reportage. Der Artikel jedoch strandet in autobiografischen Rudimenten, in feuilletonistischen Beliebigkeiten. Bruhn schreibt flüssig, doch ihm fehlt die dramaturgische Zielstrebigkeit. So kommt das Buch in seiner Summe über verheißungsvolle Ansätze kaum hinaus. Die Mark Brandenburg ist reich an Geschichten, die Suche geht weiter nach jenen Schreibern, die sie mit klaren, klingenden Worten aufzulesen wissen. (Von Lars Grote)
info Verband deutscher Schriftsteller in Verdi, Landesverband Brandenburg (Herausgeber): Wir wahren Worte. Petit édition Potsdam, 175 Seiten, 9,90 Euro.
Vor der Entscheidung erstmal http://buch-www-wir-wahren-worte-de.blogspot.com/2011/05/lausitzer-rundschau-vom-2552011-kultur.html lesen. Es ist gut, das jeder Rezensent eine persönliche Meinung hat ... aber das so viele mit Verrissen werben ... liegt vielleicht an der Märkischen Sandsicht ...
AntwortenLöschenI guess I haven’t read such unique material anywhere else online.
AntwortenLöschenClickjacking