Brandenburgische Anthologie
24 Autoren kommen mit 37 Texten in einer Anthologie zum gedruckten Wort, die der Landesverband Brandenburg des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) in der ver.di in Zusammenarbeit mit dem Kulturwerk brandenburgischer Schriftsteller herausgegeben hat. Meist kurze Prosa, einige Gedichte, Essayistisches – zu viel, als daß ich hier auf jeden Text eingehen könnte.
Die historische Linie beginnt in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs mit einer stimmungsvollen Kindheitserinnerung des Lyrikers und Nachdichters Erhard Scherner, der sich hier einmal mehr als kluger Prosaautor erweist (»Hier ist alles still«), sie führt über die Nachkriegszeit (»Greta Matuschke«) bis in die facettenreiche Gegenwart. Die Texte spiegeln die Vielfalt des Lebens in oft überraschend neuer Sicht (»Der Philosoph hinter Silly«). Autobiografische Notizen (»Wie ich Ossi wurde«) mischen sich mit Charakterstudien (»Einfache Verhältnisse«), verdichteten psychologischen Episoden (»Heimkehrer«) und originellen poetischen Ideen (»Einladung«). Manches wurde in eine treffsichere satirische Form gebracht (vor allem »Runderneuerung«) oder als Humoreske ins Groteske gesteigert (»Scharlie«).
Bei den Gedichten löst ein glättend versöhnlicher Grundton (»Als mein kleines Dorf zum Schachbrett wurde«) Fragen aus. Vielleicht ist es kein Zufall, daß die drei Herausgeber gleich danach die klaren Aussagen eines gutwillig in die Politik Gegangenen (»Momentaufnahmen aus dem Bundesdorf Bonn 1995–97«) angefügt haben. Fraglich dann wieder, warum ein Rätsel aus gemeinsamer Kindheit und Jugend ungelöst bleiben muß (»Gisela«).
Beeindruckende Kurztexte und Verse machen tief nachdenklich und verstärken den guten Gesamteindruck des Bandes.
Hans Müncheberg
Ingeborg Arlt, Till Sailer, Carmen Winter (Hg.): »wir wahren worte. Texte aus Brandenburg«; petit édition, 176 Seiten, 9,90 €